Ein Nachmittag in der Vergangenheit, Wylag in Ratzeburg
Sommer ist Lagerzeit. Anfang Juli haben wir in Bienenbüttel bei Lüneburg den Mittelaltermarkt besucht. Reges Treiben herrscht hier. Die Teilnehmer in ihren meist selbst geschneiderten mittelalterlichen Kleidern zeigen nicht nur altes Handwerk, wie die Schmiedekunst oder Weberei. Nein, sie kampieren hier für ein paar Tage und schlafen in Zelten auf Feldbetten und auf Fellen.
Unser 5 ½ jähriger Enkel ist ganz versessen auf diese Märkte, also nehmen wir ihn mit. Er schnitzt sich aus Speckstein einen Kettenanhänger, lässt sich erklären, wie ein Schwert geschmiedet wird und schaut sich einen Schaukampf zwischen Bauern und Soldatenanwerbern an. Ganz schön handfest geht es dabei zu.
Ganz ruhig wird unser Enkel und nimmt verstohlen meine Hand, ehe er sich hinter meinem Rücken versteckt, als er den Sensenmann an einem Metstand erblickt. Unheimlich sieht er schon aus. Er kommt auf uns zu und sagt, dass niemand vor ihm Angst haben muss. Als ich seine Hand berühre, wird der kleine Angsthase hinter mir auch mutiger und fasst Gevatter Tod auch an. Aha, also nur eine Maske und Handschuhe. Dann ist ja alles gut…
Vor einem Zelt steht eine glänzende Ritterrüstung, die unserem Kleinen sehr gefällt. Der Besitzer erklärt uns, was ein Ritter so alles getragen hat und mein Enkel darf sogar einmal ein Kettenhemd anziehen. Uii, das ist richtig schwer. Man sieht ihm an, dass er froh ist, es wieder ausziehen zu dürfen. Bei der Gelegenheit erfahren wir, dass in zwei Wochen in Ratzeburg, nicht weit von Lübeck entfernt, wieder ein „Wylag“ stattfinden wird.
Auf oder heißt es im Wylag in Ratzeburg?!
Nun sind wir hier, natürlich wieder zu dritt, das lässt sich der kleine Ritter nicht entgehen. Kaum sind wir auf dem großen Festplatz, hört auch der Regen auf und die Sonne versucht zwischen den Wolken hervor zur blinzeln.
Wir entrichten unseren Eintrittsobolus an die Stadtwache und tauchen ins Mittelalter ein. Gerade wird ein Wikingerboot bereit zum Auslaufen gemacht. Es werden noch kräftige Ruderer und Seemänner gesucht. Also heuern wir an.
Der Ratzeburger See liegt spiegelblank da, kaum eine winzige Welle kräuselt die Wasseroberfläche. Mein Mann Dirk sitzt mit einigen anderen starken Männern auf der Ruderbank. Frauen und Kinder dürfen einfach „Seeluft“ schnuppern und zuschauen, wie die Männer schuften und das rostrote Segel gehisst wird.
Bequem ist es nicht und wenn das ein typisches Wikingerboot ist, dann kann man die Krieger aus dem Nordland nur bewundern, wie sie in diesen offenen Booten Wind und Wetter getrotzt haben.
Mitmachen
Für uns ist der Spaß bald vorbei, denn auch noch andere Landratten möchten einmal das Gefühl haben, ein Wikinger zu sein.
Wir kommen an einem Stand vorbei, wo kleine „Knappen“ mit Pfeil und Bogen schießen dürfen. Wir wissen schon, dass wir hier nicht so einfach vorbei gehen können. Der dritte Pfeil unseres mutigen Knappen trifft sogar die Zielscheibe. Gut gemacht!
Das war aufregend! Schräg gegenüber sitzt ein Geschichtenerzähler. Gebannt hängt unser Enkel an seinen Lippen, als der Mann von Georg dem Drachentöter erzählt. Höre ich da so ein leises : „siehst du Oma, es gibt doch Drachen!“ ?
Bald ist die Geschichte erzählt und wir gehen weiter. Ein Katapult wird später Steine in den See schleudern, na hoffentlich holen sich die armen Fische keine Beule…
Da sehen wir auch römische Legionäre. Sie passen zwar zeitlich nicht ganz zu den Normannen und Wikingern, aber toll sehen sie schon aus in ihren blank polierten Rüstungen!
Eine Weberin zeigt uns wunderschöne Borten, wie sie früher die Kleider verziert haben. Ein wunderbarer Geruch nach leckerem, frisch gebackenem Kräuterbrot aus dem Steinofen lässt uns das Wasser im Mund zusammen laufen. Hmm, das schmeckt richtig gut!
Dann kommt auch die exerzierende Stadt wache um die Ecke. Hübsche Anzüge haben die Männer an und mit ihren großen Lanzen können sie auch gut umgehen.
Einige Kinder in mittelalterlichen Kleidern stehen auf Wackelbrettern und versuchen sich gegenseitig mit strohgefüllten Säcken dort hinunter zu stoßen.
Vor fast allen Zelten brennt ein kleines Feuer und ein Kessel mit Suppe köchelt langsam vor sich hin.
Ich bin mir sicher, dass die Gerüche vor fast 1000 Jahren (oder mehr, wenn man an die Römer denkt), in so einem Lager nicht nur so lecker gerochen haben. ..
Hier jedenfalls geht alles sehr gesittet zu, wenn man mal von den Schaukämpfen absieht.
Ritter beim Wylag
Der freundliche „Ritter“, den wir schon in Bienenbüttel gesehen haben, erklärt hier gerade, was so alles zu einer vollständigen Rüstung dazu gehört.
Wir dürfen auch mal ein Schwert hochheben. Das müssen schon starke Männer gewesen sein, ich würde das Schwert keine halbe Stunde tragen wollen.
Wir schauen noch beim Fellhändler vorbei und bewundern die schönen Geschmeide, die eine Kunstschmiedin nebenan feil bietet.
Einige Zelte, in denen hier gewohnt wird stehen offen, so dass wir einen guten Einblick in das Zuhause auf Zeit bekommen können. Einige sind sehr spartanisch, andere sehr bequem und wohnlich ausgestattet. Mit Fellen, Teppichen und edlen Truhen für die Gewändern. Auch damals war das halt alles eine Frage des Geldes und natürlich des Standes.
Wir haben alles gesehen und freuen uns, dass wir nun wieder in die Neuzeit zurück dürfen. Zu einem leckeren Eis und einer Mikrowelle, wenn der kleine Hunger mal wieder gar zu plötzlich kommt.
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